„Kapellenfleck im Harz“ heißt der zum 1. Januar 2017 tätiggewordene Kirchengemeindeverband der Gemeinden Braunlage, Tanne, Trautenstein, Hohegeiß, Zorge, Wieda, Walkenried, Neuhof und Tettenborn. Was wissen wir über den Kapellenfleck, und warum wählte man diesen Namen? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir zunächst 720 Jahre zurückblicken.
Gründungsgottesdienst für den Kirchengemeindeverband "Kapellenfleck im Harz".
Im Jahre 1297 schenkte, laut einer alten Urkunde, der Graf Sibodo von Scharzfeld dem Kloster Walkenried eine Kapelle im Harzwald. Bei Ausgrabungen durch J. Brinkmann 1897 wurde ein kirchenartiger Grundriss freigelegt, bei dem es sich wahrscheinlich um diese Kapelle handelte. Umgeben war diese Kapelle von einer Wall- und Grabenanlage, was für eine Rastanlage und Wechselstation für Gespanne spricht. Der Kapellenfleck war mehr als eine (Elends-)Kapelle, war Rast- und Gebetsstätte für „Harzreisende“; eine durchaus auch für unseren neuen Gemeindeverband zu übernehmende Aufgabe.
Die Bedeutung dieser Anlage kann nur durch seine Lage „am Kaiserweg“ erklärt werden und „am Kaiserweg“ wäre vielleicht auch eine Alternative zu „im Harz“ gewesen. Der Kaiserweg führt uns räumlich über den Harz, von der Kaiserpfalz Goslar bis zur Pfalz Tilleda und zeitlich mehr als 1000 Jahre zurück. Die Sachsenkaiser, die diesen Weg nahmen, waren sicherlich die Namensgeber, aber der Weg ist schon viel älter. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts finden wir den Namen „Kaiserweg“, davor nannte man den im Oberharz verlaufenden Teil „Heidenstieg“.
Der wohl bekannteste Kaiser, der diesen Weg nahm, war Kaiser Heinrich IV., der 1073 von der Harzburg vor den aufrührerischen Sachsen südwärts flüchtete, übrigens mit ihm auch Bischof Benno von Osnabrück. Der Kaiserweg war in einigen Abschnitten auch Grenze, zunächst zwischen den Grafschaften Scharzfeld-Lauterberg, Clettenberg und Blankenburg, später zwischen der Provinz Hannover und dem Herzogtum Braunschweig, wobei der Kapellenfleck stets braunschweigisch war.
Der Name Kapellenfleck bezeichnete den Forstort zwischen Nasse Balz/Kronenbach im Norden, den Kaiserweg im Westen und dem Schächerbach im Süden. Der sagenumwobene Ort (aus Platzgründen kann auf die Sagen nicht näher eingegangen werden), wo einst eine Kapelle stand, wurde in alten Karten als „Alte Kapelle“ verzeichnet. (Die Revierförsterei Kapellenfleck befand sich in der Nähe des ehem. Bahnhofs Brunnenbachsmühle).
Der Forstort Kapellenfleck wechselte als Forstwartei bzw. Revierförsterei die Zugehörigkeit zum Forstamt Hohegeiß, Wieda, Braunlage und heute Lauterberg und wird von Frau Lorenz-Laubner geleitet.
Der Kaiserweg als symbolische Verbindung
Keine Gemeinde liegt direkt am Kaiserweg, d.h. er führt durch keine Ortschaft der Gemeinden, alle müssen ein Stück weit auf ihn zugehen, aber dann verbindet er sie, so wie nun die Gemeinden aufeinander zugehen müssen. Die Luftlinie von der Harzburg bis nach Walkenried beträgt ca. 35 km, und in der Mitte liegt der Kapellenfleck. So soll auch der Gemeindeverband sein, die Mitte unseres Gemeindelebens.
Der Kaiserweg ist ein Höhenweg, d.h. er vermeidet es, in die Tiefen der Täler hinabzuführen, und wer auf ihm wandert, bleibt auf der Höhe. Heute sagt man dazu auch: Der Kaiserweg ist zielführend, d.h. keinen Schritt mehr hinauf oder herab als für das Ziel der Wegführung unbedingt nötig wäre.
Ein kurzer Blick in unsere jüngere Vergangenheit sollte nicht fehlen:
Der neue Gemeindeverband Kapellenfleck ist eine um die Gemeinden Tanne und Trautenstein erweiterte Rest-Propstei Blankenburg mit Sitz in Walkenried, die nach dem Krieg entstand und später in der Propstei Bad Harzburg aufging.
Ganz nebenbei: Heute befindet sich am Kapellenfleck die Stempelstelle 157 der Harzer Wandernadel.
Am Schluss möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass der Kirchengemeindeverband Kapellenfleck im Harz uns, genau wie der Kaiserweg, stets auf der „Höhe“ hält, auf der Höhe des christlichen Miteinanders.
Herr Dr. H.U. Bonewitz